Bei der so genannten Cystinose kann die Aminosäure Cystin nicht aus den Körperzellen heraustransportiert werden, das führt zur Zerstörung der Zellen. Am schlimmsten betroffen sind meist die Nieren, aber auch die Augen. Noch vor wenigen Jahren überschritt die Lebenswahrscheinlichkeit der Patienten das Kinder- und Jugendalter nicht, heute helfen moderne Medikamente dabei, die Lebenserwartung zu verlängern. Eine Heilung gibt es bislang nicht. Vielmehr ist es wichtig, dass die Krankheit in einem Frühstadium diagnostiziert wird, um Schädigungen an den Organen möglichst gering zu halten. Bei vielen der Patienten sind die Nieren irgendwann so lädiert, das eine Transplantation notwendig wird.
Marvin hatte zum Zeitpunkt der Diagnose bereits Nierenschädigungen. „Es war schon damals klar, dass wir in den kommenden Jahren eine neue Niere benötigen würden“, erinnert sich Marvins Mutter Melanie Lindau. Der kleine Junge litt an Schwäche und Übelkeit. Hinzu kam, dass es keinen durchgängigen Schlaf gab und sich Augenerkrankungen einstellten, da sich das Cystin auch dort anlagerte und die Zellen zerstörte.
Doch mit der Gabe von Medikamenten und einer engmaschigen medizinischen Betreuung lässt sich die Krankheit in Schach halten. „Hinzu kommt die gute persönliche Betreuung in Magdeburg so Melanie Lindau. „Prof. Mohnike versteht es, uns die Angst zu nehmen.“
Marvins Schwester Mara wurde 2010 geboren. Sensibilisiert durch Marvins Diagnose fand bereits vor der Entbindung eine Fruchtwasseruntersuchung statt. Auch das kleine Mädchen erhielt die Diagnose Cystinose. Sie konnte allerdings bereits kurz nach der Geburt auf eine Grundmedikation eingestellt werden und hatte damit von Beginn an einen besseren Krankheitsverlauf als ihr Bruder. Mara besucht die Kita, bekommt regelmäßig Medikamente und Augentropfen.
Marvin geht heute in die 8. Klasse eines Gymnasiums. Um nicht schwer tragen zu müssen, hat er einen zweiten Schulbuchsatz für zu Hause. Außerdem ist er vom Sport befreit. Marvin wirkt äußerlich nicht krank, ist nur kleiner als seine gleichaltrigen Mitschüler. Aufgrund der fortschreitenden Nierenschädigung muss er am Tag sechs bis sieben Liter trinken. „Marvin ist toll in der Klasse integriert und geht gern in die Schule“, so Melanie Lindau. „Eigentlich möchte er nur einer von vielen sein.“ Marvin hat Freunde und ist trotz Medikamenten und zunehmender Niereninsuffizienz ein sehr positiver Mensch. Seine Hobbys sind Judo, Klavierspielen und dreimal in der Woche eine spezielle Langhantel-Trainingstherapie. „Wir achten sehr auf eine sportliche Betätigung unserer Kinder“, erklärt Melanie Lindau. „Dazu müssen wir uns natürlich als Familie gut organisieren.“
Im monatlichen Rhythmus fahren die Eltern mit beiden Kindern im Wechsel zur Blutuntersuchung an die Uniklinik Magdeburg oder an die Stoffwechselambulanz des Uniklinikums Münster bzw. der Medizinischen Hochschule Hannover. Der dort tätige Kinder-Nephrologe Prof. Dr. Lars Pape hat umfangreiche Erfahrungen mit der Nierentransplantation bei Kindern. Einmal im Jahr fahren die Lindaus zum Cystinose-Zentrum nach Traunstein. Einen Tag bleiben sie jeweils dort, um den gesamten Gesundheitszustand der Kinder von den Fachärzten der Orthopädie, der Augenheilkunde, der Kardiologie und der Nephrologie untersuchen zu lassen. Anschließend erfolgt eine Medikamentenempfehlung.
Einmal jährlich trifft sich die Selbsthilfegruppe Cystinose, die das Motto „Leben eben!“ über alle ihre Tätigkeiten gestellt hat.