Der Kurs der Krankenhausreform muss beibehalten werden: Die Strukturen der Krankenhausversorgung müssen konzentriert werden. Leitbild für die Krankenhauslandschaft der Zukunft sind regionale und überregionale Netzwerke, in denen Universitätsklinika und Maximalversorger die Versorgung koordinieren
Angesichts der finanziellen und demografischen Herausforderungen, vor denen Deutschland steht, sowie dem Fachkräftemangel, braucht das Gesundheitssystem strukturelle Anpassungen mit weitreichenden neuen Weichenstellungen. Deutschland hat weltweit eine der höchsten Gesundheitsausgaben pro Kopf, im Vergleich der OECD-Staaten überdurchschnittlich viel ärztliches und Pflegefachpersonal und belegt auch bei Krankenhausbetten und stationären Fallzahlen Spitzenplätze. Der niedrigschwellige Zugang zur medizinischen Versorgung ist eine Errungenschaft, erfolgt aber bisher, auch zum Nachteil der Patientinnen und Patienten, weitgehendungesteuert.
Mit der Einführung von Leistungsgruppen haben die Bundesländer ein Instrument erhalten, um die Versorgungsaufträge der einzelnen Krankenhäuser passgenauer zuzuweisen und Leistungen zu konzentrieren. Mit der gestuften Krankenhausversorgung mit regionalen und überregionalen Netzwerken, in denen Universitätsklinika und Maximalversorger die Versorgung koordinieren, lassen sich die notwendigen Strukturveränderungen im Sinne von zielgerichteter Patientensteuerung umsetzen. Die Koordinierungsfunktion für Universitätsklinika bietet die Möglichkeit, dem Ziel einer sektorübergreifenden Versorgung näherzukommen: mit allen Krankenhäusern und perspektivisch auch niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, Reha- und Pflegeeinrichtungen lässt sich mithilfe gemeinsam abgestimmter Pfade (inkl. Zu- und Abverlegungsmöglichkeiten), effiziente und patientenzentrierte regionale Versorgung umsetzen
Die konkrete Umsetzung der Reform liegt in erster Linie in den Händen der Bundesländer. Der Bund hat die Umsetzung engmaschig zu prüfen, zu monitoren und zu evaluieren. Die Rolle der Krankenhäuser im System muss von den Ländern klar beschrieben werden. Dabei müssen neben der auskömmlichen Investitionsfinanzierung der Länder bedarfsnotwendige Strukturen über das Instrument der Vorhaltefinanzierung weiterhin abgesichert werden. Die Auswirkungen der Vorhaltefinanzierung und die Wirkung des 20-Prozent-Korridors an Patientenaufwuchs bzw. -abnahme müssen von Anfang an aufmerksam begleitet werden. Die Vorhaltefinanzierung muss die wichtigen Strukturen und Leistungen der Hochleistungsmedizin sachgerecht abbilden und dabei die seit Jahren bekannten Defizite des Fallpauschalensystems kompensieren. Sofern Universitätsklinika Fallzahlreduktionen anderer Krankenhäuser auffangen müssen, ohne aufgrund ihrer Größe dadurch selbst die Schwelle zur Erhöhung der Vorhaltefinanzierung überschreiten zu können, sind gegebenenfalls gesetzliche Nachbesserungen vorzunehmen.
Am Transformationsfonds als Mittel für die Modernisierung der Krankenhauslandschaft ist in jedem Fall festzuhalten. Die Mittel des Transformationsfonds dürfen nur bereitgestellt werden, wo Strukturen tatsächlich im Sinne des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes zukunftsweisend verändert werden. Die Erfahrungen zeigen, dass vor allem die Universitätsmedizin ein wichtiger Akteur ist, um lokale Strukturveränderungen (z. B. in Form von Versorgungseinschränkungen anderer Krankenhäuser) zu kompensieren. Daher muss der Zugang der Universitätsklinika zu den Mitteln des Transformationsfonds uneingeschränkt sichergestellt werden
Die Leistungsgruppen sind weiterzuentwickeln und zielgerichtet weiter auszudifferenzieren. Die Qualitätskriterien sind möglichst praktikabel auszugestalten und dürfen keine unverhältnismäßige Bürokratie hervorrufen. Die Qualität der Patientenversorgung muss weiterhin auf hohem Niveau garantiert sein. Dazu gehört auch eine sachgerechte risikoadjustierte Betrachtung der Versorgungsqualität entsprechend der unterschiedlichen Versorgungsaufträge der Krankenhäuser. So werden in Universitätsklinika Patientinnen und Patienten mit häufig überdurchschnittlich komplexem Versorgungsbedarf behandelt.
„Die Krankenhauslandschaft in Deutschland braucht nicht nur Erste Hilfe, sondern eine systematische Reform, damit ihre gesundheitliche Versorgungsleistung dauerhaft gelingt.
Wer eine Spitzenversorgung für alle will, muss die Zusammenarbeit in den Regionen stärken – vom Grundversorger bis zur Uniklinik. Die regionalen Gesundheitsakteure wissen am besten, was vor ihrer Haustür gebraucht wird, und sie arbeiten schon jetzt immer häufiger als regionale Teams zusammen.
Netzwerk statt Stückwerk heißt das Erfolgsrezept, damit nicht jedes Krankenhaus für sich allein kämpft, bis die Kräfte schwinden und die Qualität leidet.
Regionale Krankenhausversorgung funktioniert wie bei einem erfolgreichen Fußballteam: Wenn jeder weiß, auf welcher Position er spielt, und dem Erfolg des ganzen Teams verpflichtet ist, dann gelingt das Zusammenspiel besonders gut. Eine Uniklinik vor Ort engagiert sich für ihr Team in der Region. Sie teilt als Kapitän ihre Erfahrung mit den Mitspielern, koordiniert sie und respektiert die bedeutende Rolle jedes Einzelnen.
Nur wenn die Koordinierungsrolle mit einem eigenen Versorgungslevel für Uniklinika jetzt im Gesetz verankert wird, nützt es allen in der Region und sichert langfristig Qualität in der Fläche.
Die Corona-Pandemie hat gezeigt, was die partnerschaftliche Zusammenarbeit regionaler Krankenhäuser bewirken kann. Wenn ein neues Virus so viel bewegen kann, kann ein neues Wir im Gesundheitssystem nicht noch viel mehr?“
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jens Scholz
1. Vorsitzender des Verbandes der Universitätsklinika Deutschlands e.V. (VUD)