Krankenhausleistungen fair und auskömmlich zu vergüten und zugleich Anreize für effiziente Patientenversorgung zu schaffen, ist eine Herausforderung. Mit dem 2003 eingeführten DRG-System ist dies weitgehend gelungen. Ein Manko besteht nach wie vor: In vielen Versorgungskonstellationen wird der besondere Aufwand nicht abgebildet, den insbesondere Universitätsklinika bei der Behandlung komplexer Fälle haben.
Die kontinuierliche Weiterentwicklung der DRG-Fallpauschalen sollte zu mehr Leistungsgerechtigkeit führen, so die Hoffnung der Politik. Dass dies nicht umfassend gelungen ist, zeigt nicht nur der jährliche Extremkostenbericht des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK), sondern auch eine neue Analyse zu gastroenterologischen Eingriffen.*
Hoher Aufwand wird nicht vergütet
Bei etwa 60 Prozent der Patienten mit Leberzirrhose treten Komplikationen auf, so dass Giftstoffe über das Blut ins Gehirn gelangen können (hepatische Enzephalopathie, HE). Patienten mit schwerer HE werden um 87 Prozent häufiger an Uniklinika behandelt als in nicht-universitären Häusern. Das ist medizinisch sinnvoll und entspricht der Idee von unterschiedlichen Versorgungsstufen, in denen Uniklinika sich auf schwere und komplexe Fälle konzentrieren. Allerdings gehen damit auch höhere Kosten einher, etwa für aufwendige Diagnostik und längere Klinikaufenthalte. So verursacht die Behandlung eines Patienten mit Leberzirrhose und HE in Uniklinika durchschnittlich rund 8.955 Euro an Kosten, eines Patienten ohne HE in nicht-universitären Krankenhäusern hingegen 2.940 Euro. Vergütet werden beide mit der gleichen DRG, die einen Mittelwert des Aufwands der Fälle darstellt.
Um solche Ungleichgewichte zu korrigieren, sind jährliche Anpassungen im DRG-System vorgesehen. Dafür überprüft das InEK die DRG-Fallpauschalen auf Basis der durchschnittlichen Kosten von fast 300 Krankenhäusern. Doch dieses Vorgehen führt nicht automatisch zu einer auskömmlichen Vergütung. So kommt HE bei Leberzirrhose als Krankheit statistisch nicht häufig genug vor und wird in den Krankenhäusern zu uneinheitlich dokumentiert, um vom InEK in leichte und schwere Fälle unterteilt und entsprechend differenziert erstattet werden zu können.
Verlegung zum Uniklinikum bei Komplikationen
Neben diesen schweren Fällen werden oftmals auch Fälle aus anderen Krankenhäusern in Uniklinika verlegt – insbesondere bei Komplikationen. Ein Beispiel ist die endoskopischröntgenologische Darstellung von Gallengängen und Bauchspeicheldrüse (ERCP): Erfolgte die primäre Behandlung in einem Universitätsklinikum, betrug die Unterdeckung durch die DRG-Vergütung nur 183 Euro. Wurde der Patienten hingegen von einem anderen Krankenhaus an ein Universitätsklinikum verlegt, lag die Unterdeckung des Uniklinikums bei 2.374 Euro. Das DRG-System berücksichtigt Kostenunterschiede in Folge einer Verlegung nicht, auch um strategische Verlegungen zwischen Krankenhäusern nicht zu fördern.
Dies sind nur zwei Beispiele, warum Uniklinika mit der Behandlung komplexer Fälle Verluste erwirtschaften. Diese Probleme sind im DRG-System immanent und lassen sich nicht innerhalb des Systems lösen. Daher ist ein Ausgleichsmechanismus notwendig, der den finanziellen Nachteilen bei derartigen Fallkonstellationen entgegenwirkt. Dieser sollte auch das immer noch ungelöste Problem der Extremkostenfälle umfassen.
*Lerch et al. (2020): Die Grenzen des G-DRG-Systems bei der Abbildung von Komplexität in der Universitätsmedizin. In: Zeitschrift für Gastroenterologie, 58: 747-753.
„Alle Bemühungen, durch eine weitere Differenzierung des DRG-Systems die Steigerung von Komplexität, Krankheitsschwere und Fallkosten sachgerechter abzubilden, haben es nicht vermocht, klar belegbare finanzielle Nachteile für Universitätsklinika bei besonderen Fallkonstellationen zu reduzieren. Für dieses Problem brauchen wir eine Lösung außerhalb des DRG-Systems.“
Prof. Dr. Markus Lerch
Leiter der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin an der Universitätsmedizin Greifswald
Seit 2015 belegt der jährliche Extremkostenbericht des InEK, dass Uniklinika und Krankenhäuser der Maximalversorgung mit mehr als 3 Millionen Euro pro Jahr je Klinik überproportional durch die Kosten schwerer und komplexer Behandlungen belastet werden: www.g-drg.de