Der diesjährige Preis der Deutschen Hochschulmedizin wird einem herausragenden Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern für einen weltweit einmaligen Ansatz verliehen: Das „Herzpflaster“ bringt Stammzellen zur Reparatur des Herzmuskels zur Anwendung und soll das Herz dauerhaft stärken. Die Studie ist ein Musterbeispiel für translationale Forschung, vom Labor bis in die klinische Anwendung und greift einen völlig neuen Ansatz in der Therapie einer der häufigsten Herzerkrankungen auf: Patientinnen und Patienten mit Herzschwäche wurde im Rahmen einer Studie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) im Labor gezüchtetes Herzgewebe implantiert.
Ein interdisziplinäres Team der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein vom Campus Lübeck (UKSH) arbeitet bereits seit 30 Jahren an der Herstellung künstlicher Herzgewebe. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler setzen künstliches Herzgewebe ein, um bei Patientinnen und Patienten mit Herzmuskelschwäche zerstörtes Herzmuskelgewebe wieder aufzubauen. Der Ansatz ist weltweit einmalig. Das „Herzpflaster“ aus Herzmuskelzellen wird schonend und minimalinvasiv direkt auf das Herz aufgebracht. Die Forschenden verwenden sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen (iPSC), entwickeln daraus funktionelles Herzmuskel- und Bindegewebszellen. Die weltweit erste Überführung eines iPSC-basierten Herzreparaturansatzes über den Rhesusaffen in den Menschen ist eine besondere Teamleistung von Grundlagenwissenschaftlerinnen und Grundlagenwissenschaftlern, translationalen Forscherinnen und Forschern und Klinikerinnen und Klinikern der UMG und des UKSH. Über viele Jahre hinweg ist das Projekt aus dem Labor bis in die klinische Anwendung entwickelt worden. Nach intensiver Forschung konnte zunächst die Übertragbarkeit von Herzmuskelgewebeimplantaten und der Aufbau neuer Muskulatur im menschlichen Herz nachgewiesen und schließlich auch zur Anwendung gebracht werden.
In einem einmaligen interdisziplinären Ansatz konnte gezeigt werden, dass ein nach Herzinfarkt geschädigtes Herz durch Herzpflasterimplantation neu aufgebaut werden kann. Zudem kann so eine Verbesserung der Herzfunktion erreicht werden und es zeigen sich keine belastenden Nebenwirkungen. Die weltweit erste klinische Prüfung eines dauerhaften Herzmuskelaufbaus über Stammzellen des Menschen wurde durch das Paul-Ehrlich-Institut im Dezember 2020 genehmigt. Seit März 2021 werden Patientinnen und Patienten im Rahmen der klinischen Studie BioVAT-HF-DZHK20 (Biological Ventricular Assist Tissue in Terminal Heart Failure) behandelt.
„Überzeugt hat die Jury der Deutschen Hochschulmedizin die besondere Teamleistung der Universitätsmedizin und die Innovationskraft. Exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben standortübergreifend sowie interdisziplinär über einen langen Zeitraum zusammengearbeitet und einen weltweit einzigartigen Ansatz gefunden. Das Forschungsprojekt wäre zudem ohne tierexperimentelle Forschung unter Berücksichtigung des 3R-Prinzips nicht möglich gewesen. Das ist ein Beispiel für den Erfolg universitätsmedizinischer Innovation, Kommunikation und Koordination“, so Prof. Matthias Frosch, Präsident des Medizinischen Fakultätentags.
„Das Projekt zeigt, wie Spitzenmedizin mit hohem Innovationspotential zu bedeutenden Fortschritten in der Forschung und Versorgung führt. Und es hat eine breite gesellschaftliche Tragweite, denn Herzmuskelschwäche ist eine Hauptursache für Krankenhausaufenthalte. Nur eine Hochschulmedizin, die stark aufgestellt ist, ist Garant für ein leistungsfähiges und effizientes Gesundheitssystem“, betont Prof. Jens Scholz, 1. Vorsitzender des Verbandes der Universitätsklinika Deutschlands.
Patientinnen und Patienten mit einer Herzschwäche haben eine deutlich verkürzte Lebenserwartung. Eine fortgeschrittene Herzschwäche kann nach wie vor nicht geheilt werden, die möglichen therapeutischen Optionen sind beschränkt und oft mit großen chirurgischen Eingriffen und entsprechenden Risiken verbunden. Herzinsuffizienz ist in Deutschland der häufigste Grund für einen stationären Aufenthalt. Viele Patientinnen und Patienten leiden trotz Therapie unter einer fortgeschrittenen Herzmuskelschwäche, bei der vor allem die Pumpkraft des Herzens abnimmt. Bei zehn Prozent aller Patientinnen und Patienten ist die Erkrankung so schwerwiegend, dass sie trotz optimierter Behandlung mit einer mittleren Lebenswartung von nur zwölf Monaten einhergeht.
Der Preis der Deutschen Hochschulmedizin wird jährlich vom Medizinischen Fakultätentag (MFT) und dem Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) vergeben. Er würdigt neben der Teamleistung in der Universitätsmedizin insbesondere die Innovation und Translation von Forschungsprojekten für die Patientenversorgung sowie die gesellschaftliche Tragweite medizinischer Errungenschaften. Die Preisverleihung findet im Rahmen des Tages der Hochschulmedizin am 28. November 2024 in Berlin statt. Der mit 25.000 Euro dotierte Preis dient der Stärkung der Forschung in der Universitätsmedizin am Wissenschaftsstandort Deutschland. Über die Vergabe des Preises entscheidet eine Jury aus Vertreterinnen und Vertretern der Universitätsmedizin, der Patienteninteressen, der Industrie sowie von Institutionen aus dem universitären Forschungsumfeld. Weitere Informationen: www. www.deutsche-hochschulmedizin.de
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